"Wir haben es geschafft! Hoffe euch alle gesund! Und alles in Ordnung. Nun mein Bericht!" (Willy Geber nach seiner Flucht in die Schweiz in einem Brief nach Wien, August 1938)
Tausende Flüchtlinge versuchten zwischen März 1938 und Mai 1945 über Vorarlberg die rettende Schweiz zu erreichen: Verfolgte Jüdinnen und Juden, politische Gegner*innen der Nazis, Deserteure, Kriegsgefangene, Zwangs- und Fremdarbeiter*innen aus besetzten Ländern Europas. Bereits im Sommer 1938 begann die Schweiz die Grenzen abzuriegeln. Fluchthelfer*innen auf beiden Seiten der Grenze konnten manchen noch ein Entkommen ermöglichen, aber es gab nun nur noch illegale Wege in die Freiheit.
Über die Grenze erzählt in 52 Stationen von Odysseen durch ganz Europa und einheimischen Schmugglern, die zu Fluchthelfern werden, von Liebenden, die aus dem Gefängnis ausbrechen und Kriegsgefangenen die sich verirren, von protestierenden Schülerinnen und Verhören durch die Gestapo, von Abenteuern am Geburtstag, von gefährlichen Wegen über den Rhein und die Berge – von menschlichem Mut, Behördenwillkür und Widerstand.
Die Erfahrungen der Flüchtlinge spiegeln sich in persönlichen Briefen aus der Zeit der Verfolgung, Dokumenten der deutschen und Schweizer Behörden, in Erinnerungen von Zeitzeugen und Fotografien von Schauplätzen. Aus ihnen entsteht ein Bild der damaligen Ereignisse aus vielen Perspektiven – zu hören, zu lesen, zu sehen. Unterwegs mit dem Fahrrad zwischen See und Bergen, auf beiden Seiten des Rheins, beiden Seiten einer Grenze, die noch heute zugleich trennt und verbindet.
Auch Liechtenstein war in den Jahren zwischen 1933 und 1945 Schauplatz von Flüchtlingsdramen. Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 fliehen tausende aus Wien. Juden und auch politische Gegner der Nazis versuchen zumeist mit dem Zug über Feldkirch, Schaan und Buchs die rettende Schweiz zu erreichen. Noch hat die Schweiz keinen Visumzwang eingeführt. Doch bald gibt es nur noch illegale Wege in die Freiheit. Die meisten Flüchtlinge versuchen es nun am Alten Rhein, zwischen Hohenems und der Schweizer Gemeinde Diepoldsau.
In den Jahren zuvor hat die Regierung nur wenigen Menschen Asyl gewährt. Einige jüdische Flüchtlinge aus dem deutschen Reich waren aufgenommen worden, wenn sie über genügend Geldmittel verfügten und die Schaffung von Arbeitsplätzen durch ihre wirtschaftlichen Aktivitäten garantierten. Außerdem hatte das Fürstentum einigen verfolgten Juden, die aus dem deutschen Reich in andere Länder zu fliehen versuchten, gegen Bezahlung Pässe ausgestellt. Allerdings unter der Bedingung, keinesfalls davon in dem Sinne Gebrauch zu machen, selbst nach Liechtenstein emigrieren zu wollen.
Mit der wachsenden Brutalität der Verfolgung im Deutschen Reich, und mit dem Anschluss Österreichs 1938 wächst allerdings die spontane Unterstützung der Verfolgten durch einzelne Liechtensteiner, wie zum Beispiel Ida Fehr in Mauren. Auch durch organisierte Fluchthelfer in Feldkirch und Liechtenstein, zum Beispiel um den jungen Taxichauffeur Hubert Ritter, gelingt es einzelnen jüdischen Flüchtlingen sich durch Liechtenstein hindurch in die Schweiz zu retten. Manche von ihnen wurden von der Kantonspolizei in Buchs aufgegriffen und ins Deutsche Reich zurückgeschickt.
Vorsteher Freddy Kaiser und Dr. Hanno Loewy vom Jüdischen Museum Hohenems am 7. Juli 2022 beim Egelsee.
Im April und Mai 1945 steht die Gemeinde Mauren und Grenze zwischen Vorarlberg und Liechtenstein am Übergang Tisis Schaanwald im Brennpunkt des Geschehens. Tausende von Zwangsarbeitern versucht das Deutsche Reich noch in den letzten Kriegstagen loszuwerden und über die Grenze abzuschieben. Andere nutzen das Chaos dieser Tage um zu fliehen. Darunter auch Überlebende aus Dachau, die von einem Todesmarsch bei Salzburg flüchten konnten.
Zwischen dem 25. April und dem 2. Mai 1945 überschreiten alleine in Schaanwald 7.370 Menschen die Grenze, darunter 3.424 Franzosen, 1.234 Russen, 759 Polen, an die 300 Niederländer und einige Griechen und Italiener. Aber auch 156 Schweizer und 123 Liechtensteiner flüchten vor den nahenden Kriegshandlungen. Französische Truppen, zumeist Gebirgsjäger aus Marokko, kämpfen sich in diesen Tagen von Bregenz in Richtung Feldkirch vor.
An all diese Menschen erinnert auch in Mauren am Egelsee ein symbolischer Grenzstein mit zwei Geschichten - "Hilda Monte" und "Kriegsende". Als Plattform für diese Erkundung der Grenzlandschaft im Rheintal und in den Bergen hilft die Website www.ueber-die-grenze.at mit einer interaktiven Radkarte.